26. Januar 2013

[Übersetzung] Stephen Downes: Über MOOCs und das Aushandeln

 Ich bringe diesen Text von Stephen Downes im Rahmen des laufenden MOOC-Maker Course 2013 in die Diskussionen um eine MOOC-Didaktik ein, weil ich hier sehr schön das grundlegende Verständnis einer "Nicht-Didaktik" im konnektivistischen Sinne beschrieben sehe: Es geht in einem (c)MOOC eben nicht um Wissensvermittlung von den Lehrenden aus (z.B. den GastgeberInnen) zu den Lernenden hin - in dem Sinne geht es also auch nicht darum, dass sich die Lehrenden gedanken darüber machen, WIE sie dieses Wissen in die Köpfe der Lernenden hineinbekommen...

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Dies ist eine Crowdsourcing-Übersetzung (mit Unterstützung von Ingeborg Findert, Dörte, Martin Lindner und Anonymous) des Google+ Posts "MOOC and Negotiation" von Stephen Downes vom 29.12.2012.  Die Hervorhebungen stammen von mir.

Creative Commons Lizenzvertrag
Dieser Text steht - wie alle Werke von Stephen Downes - unter einer Creative Commons Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported Lizenz.


Über MOOCs und das Aushandeln

von Stephen Downes (Original)


Als Reaktion auf eine Anfrage ...

Nur ein Kommentar. Du schreibst, "das Curriculum wird im sozialen Umfeld zwischen Studierenden und Lehrenden nicht wirklich 'ausgehandelt’..."

Ich war noch nie ein Fan von einer Sprache, die den Prozess als "Aushandeln" beschreibt. Meinem Verständnis nach kann es kein echtes Aushandeln zwischen Studierenden und Lehrenden geben, denn in den meisten Bildungssituationen besteht ein zu großes Machtgefälle. Man muss nur bedenken, wie Meinungsverschiedenheiten zwischen Lehrenden und Studierenden gelöst werden - der Lehrende trifft eine Entscheidung, und das ist es dann. Das ist kein gleichberechtigtes “Aushandeln”.

Nach meinem Verständnis von Konnektivismus erfolgt kein Aushandeln. Die Lernenden wählen das Material aus, das sie für nützlich halten (wenn überhaupt). Dies liegt daran, dass es nicht etwa Ziel des Kurses ist, ein Fachgebiet zu beherrschen - tatsächlich gibt es gar kein bestimmtes Ziel des Kurses. Jede/r Lernende bringt eigene, persönliche Ziele mit, und daraus ergibt sich die jeweils individuelle Auswahl eines Lerninhalts.

Ein "Kurs" im konnektivistischen Sinne ist nicht definiert durch die Beziehung zwischen "Lehrenden" und "Lernenden". Vielmehr definieren zwei Faktoren einen Kurs: Dauer und Nähe.

Was die Dauer anbelangt, so präsentiert eine Person (die normalerweise als Lehrende/r bezeichnet wird, wobei dieser Begriff irreführend ist) eine Zusammenstellung von Materialien, typischerweise Vorträge, aber auch so gut wie alles andere Material. Diese Zusammenstellung, die als “Lehrgang” bezeichnet wird, bildet den "Inhalt" des Kurses, der von den Teilnehmenden nach eigenem Ermessen besucht oder auch nicht besucht werden kann.

Was die Nähe anbelangt, so macht die wie auch immer geartete Berührung mit dem Kursnetzwerk eine Person zu einem “Teilnehmenden”. Der übliche Weg, mit einem Kursnetzwerk in Berührung zu kommen, sind Registrierung bzw. Kursanmeldung (und aus dieser Quelle werden dann auch die meisten Teilnehmendenzahlen ermittelt). Aber man kann auch ohne Registrierung an einem Kurs teilnehmen, indem man mit anderen Teilnehmenden interagiert, zum Beispiel durch Folgen und/oder durch die Verwendung eines Kurs-Hashtags.

Ein konnektivistischer Kurs besteht daher in eine Reihe von Ereignissen, typischerweise mit einem Start-und Enddatum, um den herum sich ein Netzwerk von Teilnehmern bildet. Was in diesem Sinne einen Kurs zum “Kurs” macht, ist ein Mittelpunkt, um den herum die Teilnehmer interagieren.

Der Grund für diese Betrachtungsweise eines Kurses ist mein Interesse an dem Wissen, das durch ein solches Netzwerk entsteht. Jeder Kursteilnehmer hat eine andere Sichtweise, und das Zusammenspiel der verschiedenen Perspektiven generiert neues Wissen. Der Versuch, diese Perspektiven zu steuern - um sie in irgendeiner Weise “auf Linie zu bringen” - behindert in Wahrheit den Prozess der Wissensbildung.

Mit der Auswahl der Materialien soll keine Steuerung bewirkt werden. So ist jeder Teilnehmer ein einzigartiger und gleichermaßen bedeutsamer Beitragender für den Kurs, indem er kommuniziert und Wissen teilt, aber nichts aushandelt, als ob ein gemeinsames Ziel zu suchen wäre.

Natürlich ist dies, denke ich, eine Methode, die tatsächlich besser in den Geisteswissenschaften als in den Naturwissenschaften funktioniert. Allerdings wird sie nicht im großen Stil angewandt (wahrscheinlich, weil niemand die Geisteswissenschaften fördert, so dass keine nennenswerten Gelder für Experimente zur Verfügung stehen).

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Ich würde diese Gedanken gern am Beispiel des #MMC13 durchdeklinieren...

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